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Records Management & MoReq

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Artikel: MoReq Update

von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung. Er ist ferner Gründer und einer der Manager des DLM Network EIIG, Worcester, und Mitglied des Herausgeberbeirates von MoReq2. E-Mail: Ulrich.Kampffmeyer@PROJECT-CONSULT.com, und Sarah Risse, Beraterin bei der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung. E-Mail: Sarah.Risse@PROJECT-CONSULT.com. Originalartikel mit Anmerkungen und Literatur als PDF: http://www.project-consult.net/Files/MoReq-Update_20070206.pdf.

MoReq (Model Requirements for the Management of Electronic Records) ist der europäische Standard für das elektronische Records-Management. Dieser umfasst eine „formelle Spezifikation für funktionale und nichtfunktionale Anforderungen an Systeme zur Verwaltung von elektronischen Archiven (ERMS, engl. E-lectronic Records Management System) und gilt gleichermaßen für Organisationen des öffentlichen und privaten Sektors, die ERMS-Fähigkeiten in einem europäischen Land anwenden, entwickeln oder beurteilen wollen“ . MoReq ist die wichtigste Spezifikation für elektronisches Dokumenten- und Records-Management in Europa und ist von der Bedeutung her vergleichbar mit dem amerikanischen Standard DoD 5015.2.

Die Entwicklung von MoReq geht auf eine Initiative des DLM-Forums aus dem Jahr 1996 zurück, das erstmalig auf den Bedarf einer Spezifikation für Anforde-rungen an Systeme zur Verwaltung elektronischer Dokumente und Archive aufmerksam machte.
Das erste DLM-Forum wurde nach der Veröffentlichung der Resolution des Europäischen Rates zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten im Archivwesen aus dem Jahr 1994, ins Leben gerufen, wie Hofmann und Ketelaar in ihrem Vorwort zum DLM-Forum 1996 berichten.
In der Folge wurde die Musterspezifikation im Rahmen des IDA Programms (Interchange of Data bet-ween Administrations) der Europäischen Kommission unter der Federführung des DLM-Forums entwickelt und 2001 in elektronischer Form sowie 2002 in der Reihe INSAR des Archivs der Europäischen Kommission veröffentlicht.

Das DLM-Forum (DLM ist seit 2002 das Akronym für Document Lifecycle Management ) selbst ist der Zusammenschluss unterschiedlichster Vertreter aus dem Umfeld der elektronischen Archivierung in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Hauptziele sind die Untersuchung, Förderung und Implementierung von Möglichkeiten der breiteren Kooperation im Bereich der elektronischen Archive sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten selbst als auch auf EU-Ebene . Das DLM Network EEIG wurde als rechtlicher und kommerzieller Träger des DLM-Forum im Jahr 2002 gegründet.
Seit Februar 2007 wird an einer Erweiterung des ursprünglichen MoReq-Standards gearbeitet, die zum einen die funktionale Erweiterung umfasst, und zum anderen die Nachweisfähigkeit und Zertifizierung der Implementierung von MoReq in Software-Produkten abdeckt.

MoReq

MoReq liefert im Gegensatz zu anderen Standards (wie z.B. ISO 15489 ) eine sehr detaillierte Anforderungsliste sowohl für funktionale Anforderungen an ein elektronisches und papierbasiertes Records-Management-System, als auch für die dazugehörigen elektronischen Vorgangsbearbeitungs- und Dokumenten-Management-Systeme. MoReq schließt auch Richtlinien zur Betrachtung von operationalen Systemen und Managementsystemen ein und erstellt nicht nur Anforderungen für eine Aufbewahrung von elektronischen Aufzeichnungen, sondern auch für die Anforderungen anderer elektronischer dokumentenbezogener Funktionen wie Workflow, E Mail und Elektronische Signaturen.
MoReq ist das bis heute detaillierteste Dokument für diesen Bereich in Europa. Es besteht aus 390 definierten Anforderungen und dem beschriebenen Metadatenmodell aus 127 Elementen in einem Dokument mit über 100 Seiten Beschreibung der Spezifikation.
Die Anforderungschecklisten von MoReq sind modular aufgebaut und stellen eine Art Schablone für die jeweiligen Anwendungsbereiche dar. In diesen Anforderungslisten werden alle Anforderungen beschrieben und jede einzelne Funktion detailliert definiert. Darüber hinaus wird für jede Funktion spezifiziert, ob sie “Pflicht” oder “Wünschenswert” ist. Neben der Beschreibung der Anforderungen enthält MoReq einen Metadatenkatalog der Metadatenelemente, die zur Umsetzung der Anforderungen erforderlich sind.
MoReq wurde vom englischen Beratungsunternehmen Cornwell im Auftrag der Europäischen Kommission und des DLM-Forum in den Jahren 2000/2001 erstellt. Inzwischen hat sich MoReq als Grundlage für verschiedene Standards für das elektronische Dokumenten-, Archiv- und Records-Management etabliert. An MoReq orientieren sich z. B. die Standards für das Records-Management in der öffentlichen Verwaltung in England (PRO2 ), in Norwegen (NOARK ) und Luxemburg (SEL ECM ).
MoReq spezifiziert Anforderungen zu den Funktionsbereichen Klassifikationsschemata, Zugriffsverwaltung und Sicherheit, Aufbewahrung und Vernichtung, Erfassung von Schriftgut, Suche, Retrieval und Ausgabe, Administrative Funktionen sowie nicht-funktionale Anforderungen wie z.B. Anwenderfreundlichkeit und Systemverfügbarkeit.
Das Spezifikationsdokument wurde mittlerweile in 12 Sprachen übersetzt , ist aber leider immer noch nicht in einer deutschen Version verfügbar.

MoReq2

Angesichts der ständigen und rasanten Entwicklungen der Informationstechnologien und der zunehmenden Ausgefeiltheit elektronischer Archive wurde eine Überarbeitung von MoReq notwendig, um seinen Status als anerkanntes europäisches Referenzmodell zu wahren . So wurde von der Europäischen Kommission auf Basis eines Anforderungsdokuments des DLM-Forums für Erweiterungen von MoReq in 2005 das MoReq2-Projekt ausgeschrieben .
Wesentliche Inhalte der Erweiterungen sind die Schaffung einer flexibleren Struktur, die Erweiterung des Basismoduls, die Schaffung neuer optionaler Module, die Entwicklung eines MoReq Compliance Tests für Softwareprodukte sowie die Ergänzung um eine länderspezifische Einleitung, wie aus dem Scoping Report zu MoReq2 hervorgeht.
Insbesondere werden dabei Neuerungen in relevanten Quelldokumenten wie z.B. der ISO 15489, dem deut-schen DOMEA Standard und der UK TNA 2002 Spezi¬fikation berücksichtigt.
Der MoReq2 Standard wird auf dem MoReq1 Standard aufbauen und sich in Struktur und Format an diesen anlehnen. Dabei wird versucht, soweit wie möglich eine Abwärtskompatibilität zu der Ursprungsspezifikation zu erreichen.

Flexiblere Struktur

Die im MoReq Standard beschriebenen Anforderungen kommen in diversen Umgebungen mit unterschiedlichsten Gesetzgebungen und Records-Management-Kulturen zum Tragen, so dass sie über eine große Flexibilität verfügen müssen, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund wird in MoReq2 eine flexiblere Struktur der Anforderungen geschaffen: zum einen werden nationale Anforderungen in der Spezifikation berücksichtigt, zum anderen wird eine Modularisierung der Anforderungen vorgenommen. So werden diese in ein Basismodul und optionale Module unterteilt, die zudem um neue Komponenten ergänzt werden.

Basismodul

Das Basismodul umfasst das Minimum an Anforderungen, das notwendig ist, um ein zuverlässiges Records-Management zu garantieren.
Einige Komponenten dieses Moduls werden in der neuen Version erweitert:

  • Zugriffsverwaltung und mögliche Rollendefiniti-onen
  • Aufbewahrungsfristen und Vernichtung
  • Export, Übertragung und Dokumentenaustausch
  • Verbesserung der Langzeitarchivierung
  • Erweiterung des Metadatenmodells um entsprechende Elemente für Langzeitarchivierung, wobei die Kompatibilität mit der ISO 23081 und dem OAIS (Open Archival Information System Standard ISO 14721) sichergestellt wird
  • insgesamt konkretere Fassung und Beschreibung der Metadaten

Optionale Module

Records-Management alleine ist nicht ausreichend, da verschiedene Systeme Informationen schaffen und aufbewahren, die als Aufzeichnung erfasst werden sollten. Diese Systeme müssen integriert werden können, um Informationen zu verwalten und den Verlust von Aufzeichnungen wie Dokumenten, Vorgängen und Akten zu vermeiden. Die Art und Weise der Integration anderer Applikationen wird in den optionalen Modulen von MoReq2 definiert, die je nach dem in welcher Umgebung das Records-Management eingesetzt wird, benötigt werden . Die optionalen Module umfassen unter Anderem folgende Komponenten, die teilweise schon in der MoReq1 Fassung enthalten waren, aber detaillierter gefasst werden sollen:

  • Content-Management-Systeme (neu),
  • Verwaltung nichtelektronischer Aufzeichnungen und Hybridsysteme (vorhanden, wird zu optional verschoben),
  • Workflow (vorhanden, wird erweitert und ver-schoben) und Vorgangs /Fallbearbeitung (neu)
  • Dokumentenmanagement und Collaboration (vorhanden, wird verschoben)
  • Kryptographie, Verschlüsselung, Wasserzeichen, Digital Rights Management (vorhanden, teils neu, wird verschoben)
  • Interoperabilität und Offenheit (vorhanden)
  • dezentrale Systeme (neu)

MoReq Compliance Tests

Die Nachweisbarkeit und Zertifizierung der Implementierung von MoReq in Softwareprodukten ist ein wichtiger Bestandteil der MoReq2 Initiative. So wird es eine Evaluierung von Softwareprodukten hinsichtlich ihrer Einhaltung der Standards geben. Um hier eine ausreichende Konsistenz zu gewährleisten, werden standardisierte Testkriterien und Testskripte entwickelt. Dabei werden auch die Testunterlagen in Module zusammengefasst, entsprechend den einzelnen Anforderungen des Spezifikationsdokumentes. Diese Testmaterialien sollen zum einen in allgemeinen Zertifizierungsverfahren für Softwarepakete verwendet werden, und zum anderen sollen Anwender mit diesen Testmaterialien bestehende Implementierungen überprüfen können. Die Compliance-Zertifizierungsverfahren sollen durch das DLM Network EEIG im Auftrag des DLM-Forum eingerichtet werden.

Länderspezifische Einleitung

Die einzelnen Sprachversionen von MoReq2 werden jeweils um eine länderspezifische Einleitung ergänzt werden – in dem Scoping Report als „Chapter 0“ bezeichnet, die von dem entsprechenden Vertreter des Landes im DLM-Forum erstellt wird. Der Einleitungstext soll auf die besonderen Begebenheiten im Bereich des Records-Management des jeweiligen Landes eingehen und den Begriff der „Records“ und deren Kontext in der entsprechenden Kultur verdeutlichen.
Folgende Elemente werden wahrscheinlich Teil der Einleitungen sein:

  • die Auswirkungen der nationalen Gesetzgebung
  • die Auswirkungen der Records-Management-Kultur; z.B. Vorgänge/Verfahren rund um Mo-Req2 für Regeln und Prozesse zur Aufzeichnung dokumentenbasierter Transaktionen etc.
  • Übersetzungsinformationen, insbesondere zu den Schlüsselbegriffen, wie der Umgang mit Begriffen wie „Record“, „Dokument“, „Vorgang“ oder „Akte“

Aktuelle Arbeiten an MoReq2

Den Auftrag für die Erstellung des MoReq2 Standards hat wiederum die Firma Cornwell in England erhalten, die auch schon den ursprünglichen MoReq Standard mit verfasst hat. Das Projekt startet im Februar 2007 und soll bis Ende des Jahres 2007 abgeschlossen werden. Die MoReq2 soll zunächst in Englisch im Jahr 2008 veröffentlicht werden. Der Spezifikationstext wird von dem Cornwell Team entworfen, welches von acht internationalen Experten beraten wird Darüber hinaus werden derzeit ein Reihe von Review-Ausschüssen gebildet, die die Entwürfe reviewen werden. Die Gruppen umfassen

  • Hersteller, d.h. große und kleine Softwarefirmen, die Interesse an elektronischer Archivierung haben und Records-Management-Software anbieten
  • Expertenorganisationen
  • Anwender, d.h. aktuelle oder zukünftige Nutzer von ERM-Software aus den unterschiedlichsten Einrichtungen in vielen Ländern
  • Nationalarchive

Die breit ausgelegte Beteiligung soll sicherstellen, dass eine akzeptierte, umfassende Spezifikation sowohl für die Anbieter als auch für Archive, Verwaltungen und Privatwirtschaft entsteht. Wesentliche Aufgabe von Cornwell und dem Editorial Board wird es sein, diese Anforderungen zusammen zu fassen und zu harmonisieren.

Ausblick

Mit MoReq ist ein etablierter Standard für das elektronische Records-Management geschaffen worden, der in der zweiten Phase den Anforderungen aller Beteiligten entsprechend weiterentwickelt wird:
Es ist im Interesse der Hersteller, ihre Produkte zukünftig nur noch auf einen europäischen Standard ausrichten zu müssen, so dass sie nicht mehr für jedes Land einen eigenen Standard in der Implementierung zu berücksichtigen brauchen.
Den Anwendern bieten sich über die einheitlichen Standards sowie vordefinierte Funktionen und Metadaten sichere Records-Management-Anwendungen, die als standardisierte, austauschbare und kompatible Produkte der Anbieter zur Verfügung stehen werden.
Aus der Perspektive der Archive ist vor allem die Kompatibilität und langfristige Stabilität von Interesse, die durch die Implementierung des MoReq Standards in den Records-Management-Produkten erreicht werden kann. Zudem ist zu erwarten, dass vor dem Hintergrund, dass die Produkte nur noch an einen Standard angepasst werden brauchen, zukünftig günstigere Standardprodukte der Softwarehersteller verwendet werden können.
Darüber hinaus ist es im Interesse aller, eine hohe Austauschfähigkeit, langfristige Sicherheit sowie einheitliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung und den Einsatz von Systemen zur elektronischen Archivierung zu erzielen.
Besonders durch die Zertifizierung und die Aufnahme neuer Trends wird MoReq der Standard Europas werden und nationale Standards beeinflussen oder gar ablösen. Nur so lassen sich wirtschaftliche, kompatible Lösungen für ganz Europa erreichen.

Originalartikel mit Anmerkungen und Literatur als PDF: http://www.project-consult.net/Files/MoReq-Update_20070206.pdf.

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